Der böhmisch-jüdische Erzähler Leopold Kompert (1822- 1886) ist vielleicht nicht der Erfinder der 'Ghettogeschichten', aber durch seine erste Sammlung "Aus dem Ghetto" (1848) gelangte diese deutsch-jüdische Erzählgattung zu nationaler und internationaler Bekanntheit. Damit wurde die deutsche Literatur um eine genuin jüdische Ausdrucksform bereichert, die auch nachfolgende Autoren nutzten, um die jüdische Befindlichkeit in nicht-jüdischer Umgebung zu beschreiben.
Die Ausgabe vereint Erzählungen aus Komperts im 19. Jahrhundert überaus erfolgreichen Bänden "Aus dem Ghetto", "Böhmische Juden", "Neue Geschichten aus dem Ghetto", "Geschichten einer Gasse" und "Verstreute Geschichten". Sie bietet eine repräsentative Auswahl aus dem Werk des Autors, dessen Texte eine Welt einfangen, die dem Untergang anheimgegeben war: die traditionelle jüdische Lebenswelt Ostmitteleuropas. Die menschliche Darstellung seiner Glaubensgenossen reflektiert aber gleichzeitig Komperts Einsatz für die Bürger- und Menschenrechte der jüdischen Bevölkerungsgruppe.