"Unser täglich Brötchen gib uns heute..."
Der Clasen-Clan
Description:... Damit der anfangs noch geneigte Leser dieses Buch nach dem Genuß der ersten Seiten nicht schon orientierungs- und damit fassungslos zur Seite wirft, sei dem Autor gestattet, mit einem Vorwort zur Vorsicht zu mahnen und um Nachsicht zu bitten. ... Der Autor bittet um Nachsicht. Er übernimmt die Schuld für etwaige Irrungen und Verwirrungen bei der Lektüre. Nachfragen sind allerdings zwecklos, denn die handelnden und mißhandelten Personen sind erfunden, also Phantasieprodukte. Wenn sich jemand getroffen fühlt oder sich wiederzuerkennen glaubt, ist dies seine eigene Schuld. Die geschilderten Vorfälle dagegen sind der Wirklichkeit entnommen, leider, Gott sei Dank. Leseprobe: Er hatte eine Versammlung miterlebt, miterleben müssen, wo sich die als Prellbock von der ersten Garnitur vorgeschickten Funktionäre aus der zweiten Reihe dem aufgestauten Zorn des Volkes stellen mußten. Frank war hingeschickt worden, um später darüber berichten zu können. Er unterließ es, denn diese konterrevolutionären Ausbrüche hatten seine Erwartungen überstiegen. Sogar gegenüber Rita hatte er geschwiegen, obwohl er nun ernsthaft darüber nachdenken mußte, was nicht nur auf seine Zeitung und auf ihn, sondern auch auf seine Familie zukam. Früher als an normalen Arbeitstagen und allein war er nach Haus gefahren. Er hatte seine Frau glatt vergessen. Hier in der Schrankwand, ganz oben auf dem Stapel von Ehrenurkunden und Ordensmappen lag sein Parteibuch. Er nahm es, legte es vor sich auf den Tisch, setzte sich davor und stierte lange auf das kleine dunkelrote Büchlein mit den beiden ineinander verschlungenen Händen. Sollte das alles vorbei sein? Es war vorbei! Auf einem Blatt Papier formulierte er seine Austrittserklärung, strich darin herum, verbesserte und redigierte. Sein Herz blutete. Wenn Marx, Engels oder Lenin ihn so hätten sehen können! Schließlich zerriß es das Blatt. Am nächsten Vormittag übergab er dem Parteisekretär, seinem Nachfolger, das Parteibuch und erklärte ihm mündlich, ohne Begründungen seinen Austritt. Der Genosse fragte nicht nach, denn auch ihm hatte der Gang der Ereignisse die Sprache verschlagen. Der politische Umbruch erfaßte auch das Erscheinungsbild der Zeitung. Aus dem „Organ der Partei“ wurde eine „Unabhängige Tageszeitung“. Die Unabhängigkeit bestand darin, daß das Blatt von einem westlichen Verlag übernommen und somit als möglicher Konkurrent ausgeschaltet wurde. Der Personalbestand blieb erhalten, abgesehen von wenigen altersbedingten Kündigungen. Allerdings wurde personell umgeschichtet. Wer früher oben war, ging nach unten. Wer unten war, stieg auf. Diese Rotation betraf auch Frank Seifert. Er zählte zu den Absteigern, war nur noch Redakteur. Seine neue Chefin kam von jenseits der ehemaligen Staatsgrenze ...
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