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Strukturelle und kinetische Untersuchungen zur Entwicklung und Optimierung von Hapten-Enzymimmunoassays (ELISAs) am Beispiel der Bestimmung von Triazinherbiziden

Dissertation - Technische Universität München - 1992

Description:...

Die Kinetik von Hapten-Immunoassays wurde durch Experimente sowie Computersimulationen detailliert untersucht. Der Schwerpunkt lag auf der Entwicklung einfacher und vielseitiger Verfahren, kinetische bzw. thermodynamische Konstanten mit Mikrotiterplatten
zu messen. Besonders interessant dürfte eine neue Methode der Bestimmung der Gleichgewichtskonstante auf der Grundlage der Ermittlung des Testmittelpunkts sein, die ohne radioaktiv markierte Analyten auskommt. Auch für die Messung der Dissoziationskonstante des Antikörper-Hapten-Komplexes wurde eine neue Methode vorgestellt. Den Enzym-Tracer betreffend wurde gefunden, daß keine einfache Kinetik vorliegt. Die Hypothese, daß die adsorptive Bindung des Tracers an der Mikrotiterplatte eine wichtige Rolle für den Verlauf
eines ELISAs spielt, konnte durch zahlreiche Experimente untermauert werden. Mit Hilfe von numerisch simulierten Immunoassays wurden Wege zur Entwicklung neuer Testkonfigurationen aufgezeigt. Zudem konnten mit Daten aus Computersimulationen einige unklare
Effekte erklärt werden. Mit zahlreichen neu synthetisierten Hapten-Derivaten konnten Struktur-Wirkungsbeziehungen aufgestellt werden, die einige "Regeln" im Immunoassaybereich in einem neuen Licht
erscheinen lassen. So konnte gezeigt werden, daß im Gegensatz zu oft geäußerten Vermutungen, stark bindende Tracer keine negative Auswirkungen auf die Empfindlichkeit von ELISAs haben müssen. Im Gegenteil, hohe Traceraffinitäten haben einen günstigen Einfluß
auf die Stabilität der Komplexe bei Waschvorgängen und führen zu höheren Absorptionen bzw. schnelleren Entwicklungsvorgängen.
In einem ähnlichen Kontext sind Untersuchungen zur Spacer-Erkennung ("Bridge Recognition") zu sehen. So wurde eine homologe Reihe von Spacerderivaten in ihren Kreuzreaktionen vermessen. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, daß hervorragende Antikörper
eine extrem hohe Affinität zu Spacerderivaten haben können. Auch die weit verbreitete Ansicht, daß homologe Systeme zu Empfindlichkeitseinbußen führen würden, konnte in keinem Fall bestätigt werden. Die häufig publizierten Erfolgsmeldungen bei heterologen
Systemen können häufig auf ein experimentelles Artefakt zurückgeführt werden, da die Immunoassays bei identischen und nicht bei optimalen Tracerkonzentrationen durchgeführt wurden. Die optimale Konzentration ist nicht bei jedem Tracer identisch, sondern von der Traceraffinität abhängig.
Es konnte demonstriert werden, daß sog. "Brückenantikörper" einen Sammelbegriff verschiedener Phänomene bilden. Es wird die Hypothese formuliert, daß es (mindestens) zwei unterschiedliche Arten "Brückenantikörper" gibt, erster und zweiter Art. Brückenantikörper 1. Art binden Spacerderivate mit höheren Affinitäten als den Analyten. Wie bei Unter
suchungen zur "Bridge Recognition" gezeigt werden konnte, ist diese Eigenschaft positiv zu werten, da sie oft mit hoher Sensitivität korreliert ist. Dagegen haben "Brückenantikörper" 2. Art sehr unangenehme Folgen. Es werden Eichkurven mit niedriger Steigung und/oderhoher "unspezifischer" Bindung erhalten. In der vorliegenden Arbeit können erstmals starke Argumente präsentiert werden, daß diese Brückenantikörper 2. Art nichts mit Spacern oder Brücken zu tun haben. Sie wurden in den untersuchten Fällen von verunreinigten Haptenen
(Tracer) oder labelbindenden Antikörpern verursacht. Alle Merkmale der "Brückenantikörper" (2. Art) konnten durch intensive Reinigung des Haptens bzw. Reinigung des Serums vollständig beseitigt werden. Insofern ist hier der Ausdruck "Brückenantikörper" nicht gerechtfertigt.
Zum Thema Sensitivität konnte mit unterschiedlichsten Ansätzen gezeigt werden, daß im ELISA-Normalfall die Affinität des Antikörpers zum Analyten die ultimative Begrenzung darstellt. Dies bedeutet, daß auch mit sehr subtilen Methoden (z.B. zur Signalverstärkung) keine Verbesserung der Nachweisgrenze gelingt. Die einzig effektive Strategie ist die Herstellung neuer Antikörper. Da dieser Weg über das sehr komplexe und nur fragmentarisch verstandene Immunsystem läuft, wurden hier Regeln formuliert, die sich aus der Erfahrung
für diese Arbeit durchgeführter und vieler publizierter Immunoassays ableiten. Diese Regeln sind sicherlich nicht als unumstößliche Naturgesetze zu verstehen, sondern eher als Anhaltspunkt, die nach dem jetzigen Stand der Technik bessere Variante auszuwählen. Es wurde gezeigt, daß Immunoassays mit völlig unterschiedlichen Prioritäten optimiert werden können.
So können ELISAs erheblich beschleunigt werden, wenn kinetische Aspekte berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu mehrfach veröffentlichten Theorien, daß verkürzte Inkubationszeiten zu erheblichen Einbußen der Selektivität führen würden, konnte experimentell belegt
werden, daß dies zumindest allgemein nicht richtig ist. Es konnten keine signifikanten Veränderungen der Selektivität beobachtet werden. Diese scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse konnten mit Hilfe von Computersimulationen in ein Modell integriert werden.
Es zeigte sich, daß die Selektivität eines Immunoassays nur in sehr engen Grenzen verändert werden kann. Hier gilt sinngemäß das im vorherigen Abschnitt über Sensitivität gesagte. Nur ein verbesserter Antikörper kann eine grundlegende Verbesserung der Selektivität bringen, was die Wichtigkeit einer sorgfaltigen Planung und Synthese von zur Immunisierung verwendeten Haptenderivaten unterstreicht. Der Schwerpunkt der Investitionen sollte auf diesem primären Sektor liegen, da Mängel des Antikörpers später nur in sehr bescheidenem Ausmaß ausgeglichen werden können. Es gibt in Einzelfällen Möglichkeiten die Selektivität gezielt
zu verändern. Es ist z.B. gelungen, durch Protonierung von kreuzreagierenden Substanzen (mit höherem pKa-Wert) diese Störung fast quantitativ auszuschalten. Der Grad der Selektivitätsänderung konnte mit erstaunlicher Genauigkeit aus dem Protonierungsgrad der Analyten berechnet und damit prognostiziert werden. Aus diesen Ergebnissen kann man auch die bisher völlig unterschätzte Bedeutung der Protonierung von Analyten, Immunogenen und Tracern ableiten. So kann z.B. nicht erwartet werden, daß eine Immunisierung mit Amid-
Derivaten eine hohe Empfindlichkeit für den Carbonsäure-Analyten (negativ geladen) ergibt.

Mit Computersimulationen konnte gezeigt werden, daß es neue Möglichkeiten gibt, ELISAs zu konstruieren, die einen Summenparameter angeben. Dies kann wahrscheinlich realisiert werden, wenn man ein assoziationslimitiertes Regime erreicht. In diesem Fall werden die Affinitätskonstanten weitgehend irrelevant.
Bei einem Versuch, monoklonale Triazin-Antikörper herzustellen, wurden 4 Klone gefunden, die in Sensitivität und Selektivität mit den besten bisher bekannten monoklonalen Triazinantikörpern vergleichbar sind. Dies wurde mit einem modifizierten Screening-Verfahren
erreicht, das auf der Grundlage einer Tracer-Mischung aus zehn Komponenten aufbaut. Dieses Screeningverfahren hat sich als sehr selektiv gezeigt, alle positiven Antikörper waren prinzipiell analytisch interessant. Zudem wurde ein Test für die Alltagstauglichkeit der Antikörper eingebaut, der aus der Messung der Kreuzreaktion zu Huminsäuren besteht. Dies soll vermeiden, daß für analytikuntaugliche Antikörper (matrixempfindlich) aufwendige
Charakterisierungsprozeduren durchgeführt werden.
Im Laufe dieser Arbeiten wurden zahlreiche Triazinderivate für Struktur-Untersuchungen synthetisiert, die u.a. zur Herstellung von Enzymtracern verwendet wurden. Auf diese Weise konnten Immunoassays, die bisher zur Kontrolle des strengen Trinkwassergrenzwerts von 0.1 Mikrogramm/L nicht geeignet waren, so optimiert werden, daß sie heute für Routineprojekte eingesetzt werden bzw. den Grenzwert ohne Probleme erfassen können. Es konnte ein neuer hydrophiler Spacer synthetisiert werden, der u.a. bei schwerlöslichen Haptenen oder zur verbesserten immunologischen Präsentation angewendet werden kann. Der weitgehende Zwang zur Verwendung von Alkylspacern ist mit diesen gut zugänglichen
Derivaten aufgehoben, bei denen auch Anwendungen außerhalb der Immunologie denkbar sind.
Zudem konnten zahllose Verbesserungen im Zusammenhang mit der Durchführbarkeit von ELISAs erreicht werden, z.B. Stabilisierung und Konservierung von Puffern, Antikörpern, Substratlösungen und Tracern. Dies macht sich weniger in den analytischen Kenndaten eines Tests bemerkbar, als im Aufwand, der für einen ELISA notwendig ist. Diese Überlegungen haben besonders hohe Bedeutung, wenn ein Immunoassay aus dem reinen Forschungslabor in die Applikation bzw. die Routineanalytik übernommen werden soll oder eine Kommerzialisierung geplant ist.

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