Basler Juden, französische Bürger
Migration und Alltag einer jüdischen Gemeinde im frühen 19. Jahrhundert
Description:... 1799, unter helvetischer Einheitsregierung, zogen erstmals seit dem Mittelalter wieder Judinnen und Juden nach Basel. Doch noch jahrzehntelang blieb die judische Einwohnerschaft der Schweizer Grenzstadt auf eine kleine Gruppe franzosischer Staatsburger beschrankt, da die politische Restauration im Kanton den Juden Niederlassung und Heimatrechte bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts verweigerte. Das vorliegende Buch nimmt die Widerspruche und den Alltag judischer Existenz in Basel in den Blick: Wie beispielsweise ein Wirtspaar als Knecht und Magd fur koscheren Ausschank in einer Basler Weinstube begann, aber aufgrund obrigkeitlicher Ermittlungen wenig spater ein eigenes Gasthaus anmeldete. Weshalb der Gemeindevorsteher Koschelsberg die Zitrusfruchte zum Laubhuttenfest, die er immer uber den Kolonialwarenhandler Preiswerk bezogen hatte, nicht mehr im Elsass verkaufen konnte und das Basler Richterkollegium sich die Warenspezifikation fur halachisch achte Zitrusfruchte erklaren liess. Von wem der Schmuser, der Pferde-, Waren- oder Immobilienmakler, einen Lohn erwarten konnte, auch wenn er nie um einen Dienst gebeten worden war. In welchem Stadtviertel sich die Einwanderer Hauser kauften und warum andere Nachbarschaften einen Juden nur im Gasthaus duldeten. Die Autorin hat die wenigen Zeugnisse dieser voremanzipatorischen Zeit aus verschiedenen Quellenbestanden prosopographisch zusammengefuhrt und abwechslungsreich kontextualisiert, so dass ihr eine dichte Beschreibung judischen Lebens in Basel gelingt. Die mikrogeschichtliche Fallstudie leistet nicht nur einen relevanten Beitrag zur Stadtgeschichte, sie orientiert sich auch an den aktuellen Fragestellungen der judischen Geschichtsschreibung. So beleuchtet sie die Wechselwirkung von kulturellem Kapital und burgerlichem Aufstieg, uberpruft nationale Deutungsmuster zur judischen Moderne anhand eines transnationalen Phanomens und verfeinert die Kategorien von Minderheit und Mehrheit an situativen Grenzziehungen. Zentrale Themen der judischen Geschichte am Beginn der Moderne - Integration und Verburgerlichung - werden in dieser Darstellung um neue Aspekte bereichert, weil sie den Migrationsprozess junger Stadtgemeinden jener Zeit berucksichtigt.
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