Ethik der Menschenrechte
Zwischen Rhetorik und Verwirklichung
Description:... Auf die "Menschenrechte" trifft man überall, in den Reden von Politikern ebenso wie in den Kommentaren der Journalisten und in den Forderungen prominenter Kirchenvertreter. Auf sie beruft man sich, wenn es darum geht, Zustände und Vorgänge in anderen Ländern zu kritisieren, aber auch, wenn Vorschlägen für die Gesetzgebung im eigenen Land mehr Nachdruck verliehen werden soll. Die politischen Diskussionen über die Kriege der jüngeren Zeit zeigen, dass die Berufung auf die Menschenrechte auch ins Spiel kommt, wenn heute über die Berechtigung einer Intervention in einem anderen Staat nachgedacht und gerungen wird. Eine besondere Rolle kommt hierbei offenkundig den Vereinten Nationen zu. Die häufige Bezugnahme auf die Menschenrechte in der politischen Rhetorik hat unverkennbare Vorteile, aber sie weist gleichzeitig auch Schwächen auf. Einer ihrer Vorteile besteht darin, dass so gut wie auf der ganzen Welt verstanden wird, was "die Menschenrechte" meinen. Die Menschenrechte scheinen demnach zu dem zu gehören, worüber weltweit eine gewisse Gemeinsamkeit besteht, auch wenn häufig offen bleibt, ob es sich um eine Gemeinsamkeit von der Art handelt, dass tatsächlich alle oder wenigstens die meisten in den Inhalten übereinstimmen und deren Verbindlichkeit anerkennen, oder ob die Gemeinsamkeit von der Art ist, dass sie einen Vorgriff auf einen künftigen Konsens darstellt, also im Augenblick "bloß" eine Art Vision ist, die man herbeisehnt und auf die man sich im eigenen politischen Selbstverständnis verpflichtet fühlt. Ein anderer Vorteil besteht darin, dass die Menschenrechte etwas zu sein scheinen, über das man sich offensichtlich trotz und über die weltanschaulichen, religiösen und politischen Lager und Gruppierungen hinweg einigen kann.
Aber auch die Nachteile müssen gesehen werden: Auffällig ist besonders die Unschärfe der Berufung auf die Menschenrechte. Sie geben eigentlich nie einen ganz konkreten und politisch unmittelbar realisierbaren Weg vor in Konfliktlagen, wo sie eingefordert, erinnert oder auch mit Emphase beschworen werden. Ein anderer Nachteil besteht darin, dass sie sich abnutzen, wenn sie andauernd und für jede Kleinigkeit ins Spiel gebracht werden. Die Rede von den Menschenrechten bleibt offensichtlich nur dann gehaltvoll, wenn sie sparsam verwendet wird. Sie bezieht sich auf das Grundsätzliche und Wesentliche und eignet sich wenig für den politischen Alltagsstreit.
In diesem Sinn möchten auch die folgenden Kapitel verstanden werden. Ihr Dreh- und Angelpunkt sind die ethischen Grundlagen, die ethischen Implikationen und ethischen Konfliktpunkte dieses komplexen Gebildes, das man heute weltweit als Menschenrechte bezeichnet und das seinen sichtbaren Anfang im Zusammenhang der Entstehung des modernen Staates in Amerika und Europa hat. Es geht also weder um eine historische noch um eine juristische Darlegung, sondern um eine ethische bzw. um eine theologisch-ethische, in der dann natürlich auch historische und juristische Aspekte berücksichtigt werden.
Die Literatur zu den hier behandelten Themen ist unübersehbar. Um der besseren Überschaubarkeit willen werden in den Anmerkungen und Empfehlungen nur einige Hinweise gegeben. Wichtigstes Referenzdokument ist die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen vom 10.12.1948.
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