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Burma, Geister und Wunder

Auf Orwells Spuren

Description:... Ich fahre nach Burma, Gott weiß zum wievielten Mal, weil es voller reizender Menschen ist, weil es unüberschaubar und geheimnisvoll ist, weil seine Berge wundervoll und seine Tempel zauberhaft sind, und weil zahlreiche meiner Vorbilder da gewesen sind. Bevor ich abreise, schiebt mir mein realpolitischer Schutzengel (kann Realpolitik mit einem Engel in Einklang gebracht werden?) einen Zettel mit den Stichworten unter die Nase: Diktatur und Bürgerkrieg; unentwirrbares Babel; nicht zu kurierender Glaube an den Aberglauben; übertriebene Religiosität (die so sehr dem Buddhismus entspricht, wie der Voodoo dem Christentum); nur wir zählen, wir Männer!; und eine Maske mit unabwischbarem Lächeln auf den Gesichtern. Aus dieser Gebrauchsanweisung behalte ich leicht das, was ich bereits selbst auf dem Balkan erlebt habe, den Rest vergesse ich allerdings immer mehr, so wie mich der Zauber der Reise mitreißt und meine Vorstellung davon, dass Osten und Westen auf gleiche Weise denken. So oft ich im letzteren Glauben verunsichert würde, fällt mir Parkinsons klassischer Bestseller ein, das Kapitel, welches die britische und chinesische Methode miteinander vergleicht, wie man unter den Bewerbern auswählt. Ich habe den Text mehrmals gelesen, bis ich begriffen habe, du kannst nicht entscheiden, egal, ob deine Methode europäisch oder asiatisch ist, an deiner Stelle siebt der Allmächtige aus. Das ist ein Land, wo die Leute (die nichts besitzen) den himmelhohen Kirchen dicke Goldmäntel schenken, die Höhlen mit Tausenden von prächtigen Statuen des Propheten auffüllen, und die Geister, die nach „Beruf” aufgeteilt sind und auf jeden von uns aufpassen sollen, mit kleinen Geschenken täglich „schmieren”. Und das ist das Land, wo sowohl das tägliche Leben als auch die Hochpolitik von den Wahrsagern bestimmt werden, und (vielleicht deshalb?) das gegenseitige Töten seit dem zweiten Weltkrieg nicht aufhört. Aber das ist auch eine Gegend,wo ständig Wunder passieren, und davon wird das meist erwartete, der Frieden, bestimmt kommen ... Wann? An einem Abend im stillen Kloster von Mandalay, als die Sonne hinter den Bergen abrupt verschwand (wie bei einer Theatervorführung), habe ich davon geträumt, dass nun als Begleitmusik die riesengroßen Glocken aufklingen würden. Nicht weit von mir betete eine barfüßige, in purpurner Decke eingehüllte, magere Gestalt, und schaute mich an. Plötzlich stand sie auf, und im nächsten Moment erklang mit einem tiefen Dröhnen die Glocke. Der alte Mönch hat meine Gedanken gelesen – dachte ich –, und als Dankeschön schenkte ich ihm ein Stückchen Schokolade. Tief beeindruckt drückte er mir eine Sammlung von blauen Kügelchen auf einer schwarzen Schnur in die Hand, eine Gebetskette. Damit wir für den ersehnten Frieden zusammen beten können?

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